über die Grenze

Die Ermordung der Menschenrechtlerin im politischen Kontext Russlands

Posted on: Juli 19, 2009

Die Reaktionen auf die Nachricht über die Ermordung der tschetschenischen Menschenrechtlerin hören sich wie ein Echo des kommenden Krieges im Kaukasus an. Die Propagandaschlacht ist im vollen Gange, sogar weltweit. Doch entsprechend den Regeln des modernen asymmetrischen Konfliktes bleiben die wahren Ziele und die echten Gegner im Dunkeln. Was an die Oberfläche kommt und sich zeigt, erzeugt mehr Fragen und gibt keine Antworten.

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Die Presse des Westens kennt einen Feind – Ramzan Kadyrow. In Zeiten, wenn Ereignisse zu medialen Spektakeln stilisiert werden, ist er die perfekte Figur für eine Darstellung, die man als -die Schöne und das Biest – bezeichnen kann. Eine Vorstellung, in der es eine schöne, mutige Frau gibt, die für die Menschenrechte kämpft und auf der anderen Seite einen bärtigen Barbaren, das Sinnbild der männlichen Gewalt, Herr über die gewaltbringenden Männerbanden, ein orientalischer Fürst mit einer goldenen Pistole. Ein perfekter Gegensatz für primitive und flache Bilder der Massenpropaganda.




Ramzan Kadyrow ist kein Gandhi und hat Blut an den Händen, wie jeder Anführer in einem Bürgerkrieg es hat. Die Prinzipien seiner Politik sind für die Tschetschenen einfach – Wollt ihr Frieden? Wollt ihr die russischen Soldaten weg haben? Wollt ihr Geld aus Moskau für den Wiederaufbau? Wollt ihr Selbständigkeit? Wer damit nicht einverstanden ist, wird verschwinden. Eine drakonische Herrschaft der tschetschenischen Art eben. Damit hat er mehr erreicht als die tschetschenischen Nationalisten unter der Führung des von den Russen getöteten Generals Dudajew.

In Tschetschenien gibt es verschiedene Arten, wie man politische Gegner beseitigt. Man beherrscht auch die Kunst zivilisierter Staaten – Selbstmord oder Verkehrsunfall – wenn es sein muss, trotz des barbarischen Aussehens. Und würde man darüber mit Ramzan Kadyrow reden, so würde er sich ehrlich empören. Was macht er denn anderes als die demokratischen Staaten? Schicken nicht etwa die USA ihre Agenten weltweit, um Feinde zu liquidieren? Werden nicht die Feinde entführt und gefoltert, auch wenn es keine Feinde sind und unschuldig, wie man dann später feststellt? Machen die Europäer nicht auf unwissend, wenn es um geheime Gefängnisse in Europa geht? Kadyrow ist nur ein Resultat des weltweiten Krieges gegen den Terror.

Dabei waren Memorial und Estemirowa in Grozny sein Alibi. Er hatte sie sogar zu einer Vorsitzenden in einer Menschenrechtskommission gemacht und wieder gefeuert, weil es angeblich um die Frage über das Tragen des Kopftuches ging. Dabei gilt das politische Prinzip seines Stiefvaters Wladimir Putin, demnach ihre Tätigkeit weniger Schaden verursacht als ihre Ermordung.

Und diesen Schaden muss Kadyrow jetzt voll und alleine tragen. Denn man hat eine „Gerechte“ getötet, wie die Estemirowa von den russischen Zivilgesellschaftlern in ihrem Aufruf genannt wird. In der mit Terror und Gewalt gesättigten Nachrichtenwelt des Kaukasus ist es wie ein Knall. Was ist schon der Tod von Zivilisten und Polizisten, ein Schuss des Scharfschützen ins Herz eines Milizgenerals, ein Kamikaze-Anschlag auf den regionalen Präsidenten im Vergleich zu einer kaltblütigen Ermordung einer Gerechten? Darum wurde sie vermutlich zum Ziel.

Und es ist eine leichte Panik zu spüren. Kadyrow ist die tragende Säule der russischen Nordkaukasuspolitik. Das Denken an seinen Fall verursacht horrende Deja-vus: Tschetschenische Selbstmordattentäter in Moskau, Geiselnahmen in Schulen und Krankenhäusern, Bombenangriffe auf Flugzeuge, Gräueltaten, die in der ganzen Welt ausgestrahlt werden und das Russland-Image vernichten. Die Wiederkehr des Albtraums.

Wer Estemirowa ermordet hat, will die Wiederkehr des Albtraums.


Ende

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  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

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