über die Grenze

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Jede Nation hat in ihrer historischen Selbstwahrnehmung einen Mittelpunkt. Im Mittelpunkt der historischen Selbstwahrnehmung im heutigen Russland befindet sich der Sieg über die Nazis. Der „Große Vaterländische Krieg“ 1941-1945 bildet zurzeit vielleicht die einzige Konsensgrundlage des russischen kollektiven Gedächtnisses. Doch die Selbstverständlichkeit der historischen Tatsache des Sieges wird scheinbar angegriffen. So fragt zum Beispiel der russische Schriftsteller Prochanov in einem Interview von Radio Echo Moskaus am 27.01.2010 folgendes:

„Wir feiern eigentlich den Sieg. Aber halten wir noch die Siegesfahne in unseren Händen? Haben wir den Sieg bewahrt?“

Diese Befragung ist symptomatisch für die momentane geistige Stimmung. Und so kann man wohl kaum übersehen, dass die russische Staatsmacht über die Stabilität dieses Konsens besorgt ist. Eine staatliche „Kommission zum Entgegenwirken auf Versuche der Geschichtsfälschung zum Nachteil der Interessen Russlands“ wurde im vergangenen Jahr gegründet. Dass diese Kommission in erster Linie eine Verteidigungsfunktion hat, kann an ihren Mitgliedern erkannt werden – es sind Vertreter des Inlandsgeheimdienstes FSB, des Auslandsnachrichtendienstes, des Sicherheitsrats, des Außen- und des Justizministeriums, des Generalstabschefs der Armee. Vorsitzender ist der Chef der Präsidialverwaltung Sergej Naryschkin.

Die Ursachen dieser Gefahrenwahrnehmung sind im Prinzip einfach. Der Wechsel des politischen Systems hatte die russische Geschichte emanzipiert. Der russische Journalist Maxim Schewtschenko beschreibt in einem Gespräch für den Radiosender Echo Moskaus die Situation so:
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„Die Lage in Turkestan ist schlecht. England greift über Afghanistan an.“ Stalin 7. Juli 1918

„Anscheinend entwickelt sich die internationale Lage so, dass der Weg nach Paris und London über die Städte Afghanistans, Punjabs und Bengalen führt.“ Trotzkij 5 August 1919


In seiner Stalin-Biographie schreibt der russische Historiker Swjatoslaw Rybas über das doppelte Wesen des Roten Sterns in dessen Schein die ganze Geschichte der Sowjetunion verlaufen ist. So schreibt er über die Niederlage der Roten Armee im Sowjetisch-Polnischen Krieg 1920-21 folgendes:

„Die Entzweiung von gestellten Aufgaben spielte mit der Roten Armee ein bösartiges Spiel: national-staatliche Aufgaben verlangten rationale Entscheidungen, aber die Komintern presste die Armee mit romantischer Rücksichtlosigkeit vorwärts.“

Denkt man über den Sowjetisch-Afghanischen Krieg 1979-1989 nach , so könnte man sich auch fragen, ob man hier nicht mit dem gleichen Phänomen der sowjetischen Geschichte zu tun hat. Doch zuerst geht es um die Frage, die sich durch die Analyse des Films „Mission in Kabul“ gestellt hat – was haben Sowjetrussen 1919 in Kabul wirklich gemacht?

Die wesentlichen Aufgaben der ersten sowjetischen Mission in Kabul wurden von dem russischen Historiker Jurij Tichonow in seinem Buch „Stalins Krieg in Afghanistan: Der Kampf um Zentralasien“ präsentiert. Die Bedeutung von Afghanistan für das Sowjetrussland im Jahr 1919 wird im Kontext der Oktoberrevolution und des darauf folgenden Bürgerkrieges verstanden. Auf der einen Seite ging es um den Kampf gegen die Weiße Garde und auf der anderen Seite um die Weltrevolution. Ausgerechnet Afghanistan bot 1919 den Bolschewiki eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit einem Schritt die beiden Aufgaben anzugehen. An der afghanischen Ostgrenze lag der “wunde Punkt“ des britischen Imperiums. Die Weitergabe der revolutionären Flamme an die Völker Indiens hätte das Britische Reich als einen wichtigen Unterstützer der Konterrevolution in Russland ausgeschaltet und Indien von der britischen Herrschaft befreit. Die ausgezeichnete Gelegenheit dazu bot der dritte Anglo-Afghanische Krieg.

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In diesen Tagen spricht man in Russland über eine Schaschlik-Bude, die sich im Mittelpunkt einer Vergangenheitsbewältigungdebatte befindet. Physisch gesehen befindet sich die Bude direkt gegenüber dem Hotel „Sowjetischer“. Und wie die Toponomie nun mal im Volk praktiziert wird, nannte man die Bude in den alten Zeiten „Anti-Sowjetische“, entsprechend der griechischen Bedeutung des Wortes „Anti“ als „Gegen“. Man gönnte sich also unter der Herrschaft der Sowjets den „antisowjetischen“ Schaschlik.

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Über den Zweiten Weltkrieg gibt es viele Dokumentationen. Sie werden gezeigt, wenn man ein historisches Ereignis an seinem Jahrestag feiert. Dabei hat man oft mit Wiederholungen von Wiederholungen zu tun. Man kennt die alten Aufnahmen fast schon auswendig. Es kommt auch wenig Neues oder Unbedeutendes dazu.Kurz vor dem siebzigsten Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges sieht man sie wieder auf den Bildschirmen laufen. Auch in Russland präsentierten die Sender neue Dokumentationen zu diesem Thema. Dokumentationen, die die gegenwärtigen Stimmungen des Landes wiedergeben. Die lockere Haltung, die man nach dem Ende des Kalten Krieges hatte, hat sich verhärtet. Während man sich in den letzten Jahren mit Stalins Verbrechen schwer beschäftigte, kam es zu einer Drehung der Geschichte infolge von politischen Prozessen in osteuropäischen Staaten. Die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges schiebt man nun auch Stalin zu. Und so sieht man sich in Russland gezwungen, Positionen klar zu machen, sie zu verdeutlichen.

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  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

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