über die Grenze

Eine verdrehte Geschichte über den sowjetischen Afghanistan-Krieg – Der russische Film „Die Neunte Kompanie“

Posted on: Oktober 17, 2009

Die deutsche Popkultur hat das Thema des Afghanistan-Krieges noch nicht entdeckt. Würde man sich diesem Thema irgendwann widmen, so wäre ein Kinofilm das passende Mittel, mit dem man die Masse des Volkes erreichen könnte. Und wenn in der kommenden Zeit ein solcher Versuch unternommen wird, dann werden die Produzenten eines solchen Afghanistan-Films vor einer großen Herausforderung stehen. Der Geschmack der Popkultur und der afghanische Krieg befinden sich in zwei verschiedenen Welten. Die Thematisierung des Afghanistan-Krieges wird immer mit einer Verlockung zur Verdrehung des Realen zu tun haben.

Ein gutes Beispiel, wie für die moderne Massenkultur die Geschichte des Afghanistan-Krieges verdreht wird, bietet der russische Film „Die neunte Kompanie“. Der „beste“ russische Film des Jahres 2005 war ein lang ersehntes, großes Kinoereignis. Im Vergleich zu der amerikanischen Massenkultur, die eine große Zahl von Filmen über ihren Vietnam-Krieg produziert hat, gibt es über den letzten Krieg der Sowjetunion nur eine Handvoll Filme. Zum einen lag es daran, dass durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch kein Geld für einen großen Film aufgetrieben werden konnte. Zum anderen hatte man den Tschetschenien-Krieg – „ein kleines Afghanistan“ – über die Bildschirme real laufen. Erst mit der nationalen Konsolidierung und vollen Kassen der Putinszeit fühlte man sich stark genug, das heikle Thema anzupacken.

Es sollte ein Bondartschuk-Film werden. Der Name Bondartschuk symbolisierte bis jetzt die große Leistung des sowjetischen Films. Sergej Bondartschuk verfilmte den wirklich teuersten „Krieg und Frieden“ aller Zeiten , einen Film über den Großen Vaterländischen Krieg „Sie kämpften für das Vaterland“ und spielte eine bemerkenswerte Rolle in dem Film „Menschenschicksal“. Nun war der Sohn des Meisters, Fedor Bondartschuk, vorgesehen, das Werk des Vaters fortzusetzen. Er durfte einen teuren, patriotischen Film des neuen Russlands über den Afghanistan-Krieg machen.

Freunde
Der Film „Die Neuente Kompanie“ erzählt die Geschichte einer Gruppe von jungen Männern aus dem sibirischen Krasnojarsk. Sie werden in die Armee eingezogen und müssen nach Afghanistan. Die offizielle Devise heißt – „die Völker im Bruderland Afghanistan gegen die internationale Aggression zu unterstützen“. Es ist das letzte Jahr eines Krieges, der in der Sowjetunion nicht als „Krieg“ bezeichnet werden durfte. Die Männer müssen vor dem Kriegseinsatz eine harte Ausbildung durchstehen. Der junge Soldat ist „Scheiße“, der Oberfähnrich ist „Gott“. Die Leiden der Ausbildung müssen ertragen werden, wenn man nicht als Leiche aus Afghanistan zurück kommen will, lautet das Ausbildungsprinzip. Als bei einer Übung der Soldat Worobej sich im Schützengraben in die Hosen macht, während ein Panzer über ihn rollt, verbietet der Ausbilder jeglichen Spott der Soldaten über diesen Kamerad, denn der Soldat Worobej „ hat seinen Auftrag erledigt und das ist es, was zählt“.

Von den ersten Augenblicken ihrer Anwesenheit im fremden Land an, erleben die Männer fast alles, was später zu der Symbolik des Afghanistan-Krieges gehören wird. Ein altgedienter Soldat fliegt nach Hause und schenkt einem Neuling, sein Amulett, das ihn immer zuverlässig bewahrt hat. Aber der Krieg ist nur dann vorbei, wenn man Afghanistan wirklich verlassen hat. Das aufsteigende Transportflugzeug wird mit Stinger-Raketen angegriffen. Beim Versuch einer Notlandung explodiert die Maschine und alle heimkehrenden Soldaten sterben. Es ist zu erkennen, dass der Regisseur die Absicht hat, die spektakulären Aspekte dieses Krieges zu zeigen. Es gab im gesamten Afghanistan-Krieg nur zwei Vorfälle, bei denen das Flugzeug dieses Typs in einer solchen Situation abgeschossen wurde. Keins davon in dem Jahr, in dem die Handlung des Films stattfindet. Auch der Alltag der Soldaten ist sehr ereignisreich: Minensuchen, im steinigen Boden Schützengräben graben, den afghanischen Staub einatmen, Überfälle der Aufständischen auf die Transportkolonnen abwehren, Säuberung im afghanischen Dorf durchführen und zusehen, wie dieses Dorf durch einen Raketenangriff zerstört wird . Zum Schluss gibt es noch ein mörderisches Gefecht. Es soll sich dabei um die realen Ereignisse des Jahres 1988 handeln.

In Deutschland kann man „Die Neunte Kompanie“ in fast allen Videotheken in deutscher Sprache finden. Der Film wird mit ähnlichen Texten vermarktet:

Afghanistan 1989. Seit zehn Jahren tobt der Krieg. Der blutige Kampf ist für die Sowjetunion zum hoffnungslosen Desaster mit Tausenden Toten auf beiden Seiten geworden. Die Regierung will das Debakel beenden und ihre Truppen abziehen. Sie schickt eine Kompanie blutjunger Rekruten ins Feindesland. Sie sollen eine strategische Anhöhe gegen afghanische Mudschaheddin halten, um den Rückzug der eigenen Truppen zu sichern. Ein Todeskommando, denn die kampfunerfahrene Kompanie steht einer zwölffach überlegenen Macht gegenüber …

Quelle

In den wenigen deutschsprachigen Besprechungen dieses Films kann man Folgendes nachlesen:

Sie werden zurückgeschlagen, aber von den sowjetischen Soldaten bleibt nur einer am Leben. Als er seinen Schmerz in die Bergwelt schreit, kommt der Kommandeur der 9. Kompanie mit einem Hubschrauber angeflogen, dreht eine Runde über dem Leichenfeld und schreit den Blutverschmierten an: „Warum hat die Funkverbindung nicht funktioniert?“ Der Krieg ist nämlich schon lange zuende. Die 9. Kompanie wurde einfach vergessen.

Quelle

Diese Beschreibung der letzten Filmszene ist durchaus zutreffend. Man versteht den Film richtig, wenn man anschließend behauptet, dass die Männer der Kompanie sich selbst überlassen worden waren, indem man sie einfach vergessen hatte. Man sagt das aus, was man als Zuschauer gesehen hat.

Doch in Russland gibt es genug Menschen, die diesen Krieg anders erlebt haben. Menschen, die dabei waren. Und aus diesem Grund hat es allergische Reaktionen auf den Film gegeben. Die anfängliche, werbemäßige, mediale Begeisterung wurde durch scharfe Kritik verdrängt. Die Aussagen der Kriegsteilnehmer über den Film sind vernichtend:

„Der Film ist Mist. Ich verstehe nicht, worüber sich hier einige begeistern können. Schaut doch nicht auf das Äußere. Seid nicht gerührt, nur weil man sich an euch erinnert hat. Schaut tiefer hinein und ihr werdet sehen, dass dieser Film nichts anderes ist als eine seelenlose Pumpe, geschaffen um durch das spekulative Spiel mit den Erinnerungen an die Gefallenen und Veteranen von Afghanistan, Geld zu pumpen. Faktisch ist es eine Filmlüge, die die gesamte Geschichte des Krieges und insbesondere, die Geschichte dieser Kompanie und ihrer Männer verfälscht.“

Diese Aussage steht stellvertretend für die Stimmung einer Mehrheit von Veteranen. Die Filmemacher sollen gelogen haben. Und es stellt sich natürlich die Frage, ob es tatsächlich so war, wie es in dem Film dargestellt wird. Im Wesentlichen soll es um das letzte Gefecht gehen.

Der Kampf um den Höhenpunkt 3234 ist die Kulminationsstelle des Films. Von dieser Position aus konnten die Kämpfer der Kompanie einen wichtigen Teil der Strecke zu der Stadt Khost kontrollieren. Im Rahmen der Operation „Magistrale“ sollte die Verbindung wiederhergestellt und damit die Belagerung dieser Stadt durch die Aufständischen gebrochen werden. Entsprechend der Logik des Krieges in den afghanischen Bergen – wer den höchsten Punkt der Gegend kontrolliert, kontrolliert die Gegend selbst – haben die afghanischen Aufständischen versucht, die Fallschirmjäger von dem Höhenpunkt 3234 zu vertreiben. Von hieraus hätten sie die beste Möglichkeit gehabt, den sowjetischen Nachschub anzugreifen.

9rota_4_ataka_1024x768Neununddreißig Männer der 9. Luftlandekompanie haben mit Unterstützung der Regimentsartillerie die Stellung verteidigt. Die Zahl der Angreifer betrug schätzungsweise 200-400 Mann. Es waren sehr gut in Pakistan ausgebildete Kampfeinheiten der Modschahedins. Das Gefecht dauerte zwölf Stunden. Es hat insgesamt zwölf Attacken auf die Stellung im Laufe des Gefechts gegeben. Während der letzten Attacke sind die Modschahedins bis auf 10-15 Meter der Stellung nahe gekommen. Zu diesem Zeitpunkt ging den Fallschirmjägern schon die Munition aus und man stand kurz davor, die eigene Artillerie aufzufordern, die Stellung zu beschießen. In diesem kritischen Augenblick des Kampfes kamen die Soldaten einer anderen Kompanie zur Hilfe und brachten die fehlende Munition und Wasser mit. Es konnte ein Gegenangriff gestartet werden. Die Afghanen sahen ein, dass sie die Stellung nicht mehr einnehmen können. Sie nahmen ihre Verwundeten mit und zogen sich zurück. Die Kompanie hat in diesem Gefecht sechs ihrer Männer verloren. 28 Soldaten wurden verwundet, neun davon schwer. Der Regimentesstab hatte die gesamte Zeit den Funkkontakt zu der Kompanie und die Kontrolle über die Gefechtslage. Regelmäßig wurde eine Meldung über den Verlauf dieses Gefechts an den Oberkommandierenden der sowjetischen Armee in Afghanistan, Generalleutnant Boris Gromow, gemacht. So sind die Fakten.

In dem Film „Die Neunte Kompanie“ ist alles anders – eine andere geographische Lage , eine andere Jahres- und Tageszeit, ein anderer Kampfverlauf.

Angriff„In was für eine Scheiße sind wir hier geraten, die werden uns alle abschlachten und zwar bis zum letzten Mann“ – schreit der Kompaniefähnrich, gespielt von Bondartschuk selbst, als die Afghanen angreifen. Dieser Satz kündigt die Visualisierung des Vorganges an. Es sieht aber auch nach einer Jugendbandenschlacht aus. Die Afghanen spazieren beinahe offen und frei, als ob sie sich in einem Freizeitpark auf der Suche nach einer feindlichen Gang befinden. Problemlos wird der trottelige Wachposten erledigt. Die Gehirnmasse des Soldaten „Gioconda“ besudelt effektvoll das von ihm gerade angefangene Bild afghanischer Berge bei Sonnenaufgang. Die Afghanen greifen an, als ob sie sich auf einer Parade befinden. Sie schalten die wichtigsten Feuerstellen der Kompanie mit Superschüssen aus, besser als Stallone und Schwarzneger zu ihren besten Filmzeiten als Rambo und Terminator. Die russischen Fallschirmjäger laufen scheinbar kopflos und schreien dabei panikartig. Sie sehen wie unerfahrene Pfadfinder aus, die durch einen heftigen Sturm überrascht werden. Nach ein paar Minuten des Gefechts verliert die Kompanie alle ihre Offiziere. Die Afghanen dringen in die Stellung der Russen ein, wo Mann gegen Mann gekämpft wird. Dann gibt es plötzlich eine Schießpause. Scheinbar durch eine Zauberhand gezaubert, findet man keinen Afghanen mehr in der Stellung. Sie müssen ihren Angriff von der Anfangsposition neu starten, obwohl sie schon in der Stellung waren. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrmals. Man sieht hier auch einige klassischen Szene des russisch-sowjetischen Films, zum Beispiel als der Soldat Worobej, umzingelt von den Feinden, sich lieber mit der Handgranate in die Luft sprengt als gefangen genommen zu werden. In den letzten Augenblicken dieser Schrei- und Blutorgie kommen Hubschrauber und töten den kleinen verbliebenen Rest der Fallschirmjäger durch Eigenfeuer. Nur ein einziger Soldat überlebt dieses Massaker. Am Ende des Films sagt er: „Wir wussten nicht, dass man beim Rückzug dieser Riesenarmee uns einfach vergessen hat.“

Last warriorWie oben schon erwähnt, entspricht die Filmdarstellung des Gefechts auf dem Höhenpunkt 3234 in keiner Weise dem, was in Wirklichkeit stattgefunden hat. Es handelt sich dabei nicht mehr um eine zulässige Abweichung von den historischen Fakten, sondern um eine deutliche Unvereinbarkeit zwischen dem historischen Ereignis und seiner Inszenierung. Der Vorwurf einer groben Fälschung, der dem Regisseur Bondartschuk gemacht wurde, scheint begründet zu sein.

Man stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach Bondartschuks Gründen für diese grobe Verdrehung der Geschichte. Nun, es ist durchaus üblich und verständlich, dass in Kriegsfilmen, wenn es um bedeutende oder vergessene Schlachten, Gefechte oder Kämpfe geht, ordentlich phantasiert wird. Gerade bei einem „national-patriotischen“ Film neigen die Macher dazu, verlorene Gefechte zu gewinnen. Man könnte es als eine patriotische Notlüge gutheißen. Doch Bondartschuk macht es umgekehrt. Er verwandelt eine wirkliche Heldentat in einen Jammerakt und „tötet“ dabei die ganze Kompanie bis auf einen einzigen Mann. Es entsteht damit der Eindruck einer bösartigen Lüge.

***
Der Afghanistan-Krieg konfrontiert einen Regisseur mit einem Vermittlungsproblem. Der Zuschauer der Popkultur erwartet von einem Kriegsfilm Action, bombastische Szenen und viel Blut. Als Urbilder gelten die Werke über den Zweiten Weltkrieg oder den Vietnam-Krieg der Amerikaner. Ein zwölfstündiges Gefecht mit sechs Gefallenen, wie es in der Realität war, bietet einem Filmproduzent wenig Spielraum. Gerade wenn er an die von Hollywood verwöhnten Augen denken muss.

cfbea43ecd27Um sicher vermitteln zu können, muss er sich von dem Altvertrauten bedienen. Der heimische Zuschauer akzeptiert das Neue wenn er das Alte sehen kann. Man erkennt zum Beispiel in der Szene des Frontalangriffs der Afghanen die großartige Szene der „Psychischen Attacke“ aus dem legendären sowjetischen Film „Tschapajew“. Die Afghanen der „Neunten Kompanie“ greifen die Stellung der Fallschirmjäger offen, beinahe in Reih und Glied, genauso wie die Weißgardisten die Stellung der Rotarmisten in dem sowjetischen Kultfilm angegriffen haben. Auch die Szenen des Nahkampfes zitieren das große Vorbild. Jeder in Russland kennt das großartige Bild „Die Verteidigung von Sewastopol“ des Malers Dejneka. Die Rotarmisten sind die hellen, die Deutschen sind die dunklen Gestalten. Überall liegen Gefallene, Mann gekämpft gegen Mann.

Nahkampf

Das Bild des Nahkampfes zwischen den Deutschen und Russen in Sewastopol wird in der afghanischen Kulisse wieder lebendig und erkannt. Als Oberfähnrich des Films stellt sich Bondartschuk dem „Feind“ persönlich entgegen. Hier sind die Afghanen die dunklen Gestalten.

Im Ganzen hat man den Eindruck, dass Bondartschuk einen anderen Krieg verfilmt hat. Vieles was er zeigt, hat es in Afghanistan gar nicht gegeben. Die Behandlung von Rekruten war eine andere. Es wird zum Beispiel in einer Szene gezeigt, wie einer der jungen Soldaten in der Waffenkammer ein Maschinengewehr mit einer „schiefen Mündung“ bekommt, dagegen protestiert, muss aber nach der Pöbelei eines Oberfähnrichs die beschädigte Waffe dennoch annehmen. Ein höchst unwahrscheinlicher Vorgang in einem afghanischen Krieg. Die Fallschirmjäger gehörten zur Elite der sowjetischen Armee. Die 9.Kompanie war einer der besten Einheiten des Afghanistan-Krieges.

Es ist eine andere historische Zeit, die man in diesem Film sieht. Eine andere, spätere Zeit, die erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR kam. Nicht die sowjetische Armee aus der Zeit des Afghanistan-Krieges, sondern eher die zerfallende demoralisierte russische Armee des Tschetschenien-Krieges ist zu sehen. Es war in Tschetschenien, als am 29. Februar 2000 fast eine ganze Fallschirmjäger-Kompanie, 84 Männer, bei einem Gefecht um den Höhepunkt 776, hauptsächlich wegen des Versagens der militärischen Führung, verloren war. In Afghanistan zeigte sich die sowjetische Armee in ihrer Bestform. Bondartschuk hat aber mit einem Zuschauer zu tun, der stark von den Bildern und Stimmung des Tschetschenien-Krieges geprägt wurde.

Remnants_of_an_armyDoch auch der westliche Zuschauer sollte in diesem Film bestimmte Motive erkennen. Die Filmproduzenten hatten mit Sicherheit darauf spekuliert, dass die „Neunte Kompanie“ aufgrund der thematischen Aktualität des momentan laufenden Afghanistan-Krieges Einzug in die Kinosäle des Westens finden könnte. In der Figur des letzten Soldaten der Kompanie kann man zum Beispiel die Figur des Militärartztes William Brydon aus dem ersten Anglo-Afghanischen Krieg erkennen. Seine Haltung nach dem Gefecht zitiert die Haltung von Brydon auf dem Bild der britischen Malerin Butler „Überreste einer Armee“. Anstelle von Reitern kommen heute dem letzten Soldaten Hubschrauber entgegen.

Auch die Wirkung amerikanischer Vietnam-Krieg Filme, wie z.B. „Full Metal Jacket“, Platoon. ist nicht zu übersehen Es gibt sogar eine Anspielung auf die Abenteuer von Rambo in Afghanistan. Doch Bondartschuks Mühe um den westlichen Zuschauer war wohl vergeblich. Möglicherweise war es die Selbstzensur in Deutschland, dass man den Film nicht in die Kinos gelassen hat. Auch bis jetzt ist dieser Film nicht im deutschen Fernsehen gelaufen. Der Zuschauer soll wohl nicht auf die Idee kommen, eine Parallele zu dem heutigen Einsatz der Bundeswehr zu ziehen.

„Die Neunte Kompanie“ erntete in der russischen Gesellschaft wenig Lob. Die wichtigste Aussage des Films, dass die Soldaten der Kompanie von der Armeeführung vergessen und damit verraten worden sind, empfand man in dem Lager der Veteranen als eine „liberale Provokation“. Bondartschuk wurden Geschichtsfälschung und Verrat vorgeworfen. Und schlimmer sogar, er hätte das Werk seines Vater verraten. Einer der Kritiker meinte , dass die echten Soldaten der 9.Kompanie gerade deswegen so heldenhaft gekämpft hatten, weil sie von den Filmen des Vaters Bondartschuk dazu erzogen worden waren.

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Im Streit über die Wahrheit des afghanischen Krieges zeigten sich die Kritiker durchaus intelligent. Man überlegte einen Gegenangriff zum Schutze der Geschichte. Es war aber den Kritikern klar, dass ein anderer Film, zum Beispiel eine Dokumentation über den wahren Verlauf des Gefechts der 9.Kompanie mit einem millionenteueren Kinofilm nicht konkurrieren hätte können. Der moderne Jugendliche hätte eine solche Dokumentation wahrscheinlich ignoriert. Man hat sich deswegen für ein Computerspiel entschieden. Auf den ersten Blick eine primitive, doch im Endeffekt eine wirklich intelligente Entscheidung. Die Macher des Spiels „Die Wahrheit über die Neunte Kompanie“ haben sich die Mühe gemacht, die Umstände des Kampfes, die „Realität“ der Situation in dem Spiel präzise darzustellen. Es sollte kein durchgeknalltes Ballerspiel sein, sondern eine Gefechtssimulation. Schließlich lernen die Soldaten in den modernen Armeen auch am Computer die Grundzüge des modernen Gefechts kennen. Schon die ersten Sequenzen aus diesem Spiel vermitteln dem Betrachter das Wichtigste. Es ist kein kopfloses Schreien, Hauen und Rennen, sondern die unbarmherzige Logik einer schwierigen Kriegsarbeit. So haben die jungen Leute zumindest einen passenden Ansatz, sich der historischen Wahrheit zu nähern, verstehen, wie die Fallschirmjäger in diesem Gefecht gehandelt haben. Es ist eine an die Welt der modernen Jugendlichen angepasste Methode der patriotischen Erziehung. Die ewigen Spötter nannten das Spiel „Ein Heldentat-Simulator“.

***

Zusammenfassend kann man sagen, dass die „Neunte Kompanie“ ein misslungener Film ist. Man kann den Krieg in Afghanistan nicht wirklich, existenziell, darstellen, wenn man dem Popkorn fressenden Zuschauer dienen muss. Es werden Explosionen, Kämpfe, Sex, Blut und fliegende Gehirnmassen vom laufenden Filmband verlangt. Der Zuschauer der Popkultur will im Grunde genommen einen anderen Krieg sehen und der Regisseur steht somit vor einer Wahl: die Geschichte des Afghanistan-Krieges dem Massengeschmack zu opfern, oder versuchen, seine Geschichte würdevoll zu erzählen. Bondartschuk wählte den Massengeschmack.

Ende

2 Antworten to "Eine verdrehte Geschichte über den sowjetischen Afghanistan-Krieg – Der russische Film „Die Neunte Kompanie“"

vielen Dank für diesen ausführlichen und weitschauenden Artikel! Misslungen finde ich ihn nicht, da er trotz der inhaltlichen Fehler und dem hollywoodlike-Ende einen Einblick dem heutigen jungen Publikum liefert und somit versucht den (traumatischen)Krieg, wenngleich mit Hinblick auf viel Action und heroischem Ende, darzustellen.

Grüße!

PS: Ich hole gleich nochmals den Film heraus und schauen ihn mir nochmal an 😉

Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch. Sogenannte Dokus sind meist auch gefälscht. Die Amerikaner z.B. machen das seit WW2 so (Pearl Harbour in der Badewanne). Die Motivation der Islamisten kommt in diesem Film trotzdem gut rüber, auch die Grenzen ihrer Gastfreundlichkeit. Die Argumente für den Krieg, Einladung von der jeweiligen Marionettenregierung, ähneln frappierend dem heutigen Afghanistankrieg. Ich denke, daß die Bundeswehr nicht mal so geordnet wie die Russen abziehen kann. Wird sicher eher wie Saigon enden oder wie der Besuch der Engländer1800 uns sounsoviel. Der Film ist also sehenswert.
Über den Tchetchenienkrieg gibt es einen ähnlichen russ. Film, leider noch nicht in Deutsch. Ein Geschichtsstudium ersetzen beide nicht.

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  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

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