über die Grenze

Wie Nadia den Nazi-Dämon gekillt hat – Der russisch-japanische Zeichentrickfilm „First Squad. Moment of Truth“

Posted on: Januar 28, 2010

Jede Nation hat in ihrer historischen Selbstwahrnehmung einen Mittelpunkt. Im Mittelpunkt der historischen Selbstwahrnehmung im heutigen Russland befindet sich der Sieg über die Nazis. Der „Große Vaterländische Krieg“ 1941-1945 bildet zurzeit vielleicht die einzige Konsensgrundlage des russischen kollektiven Gedächtnisses. Doch die Selbstverständlichkeit der historischen Tatsache des Sieges wird scheinbar angegriffen. So fragt zum Beispiel der russische Schriftsteller Prochanov in einem Interview von Radio Echo Moskaus am 27.01.2010 folgendes:

„Wir feiern eigentlich den Sieg. Aber halten wir noch die Siegesfahne in unseren Händen? Haben wir den Sieg bewahrt?“

Diese Befragung ist symptomatisch für die momentane geistige Stimmung. Und so kann man wohl kaum übersehen, dass die russische Staatsmacht über die Stabilität dieses Konsens besorgt ist. Eine staatliche „Kommission zum Entgegenwirken auf Versuche der Geschichtsfälschung zum Nachteil der Interessen Russlands“ wurde im vergangenen Jahr gegründet. Dass diese Kommission in erster Linie eine Verteidigungsfunktion hat, kann an ihren Mitgliedern erkannt werden – es sind Vertreter des Inlandsgeheimdienstes FSB, des Auslandsnachrichtendienstes, des Sicherheitsrats, des Außen- und des Justizministeriums, des Generalstabschefs der Armee. Vorsitzender ist der Chef der Präsidialverwaltung Sergej Naryschkin.

Die Ursachen dieser Gefahrenwahrnehmung sind im Prinzip einfach. Der Wechsel des politischen Systems hatte die russische Geschichte emanzipiert. Der russische Journalist Maxim Schewtschenko beschreibt in einem Gespräch für den Radiosender Echo Moskaus die Situation so:
„Ich denke, dass es unbezahlbar ist. Die Redefreiheit, die Diskussionsfreiheit, die heute in der russischen historischen Wissenschaft bei der Behandlung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges herrscht, ist einmalig. Nirgendwo sonst, weder in Deutschland noch Frankreich kann man so frei polemisieren.“

Doch mögen sich die russischen Historiker und Fachleute frei fühlen und ihre Diskussionsfreiheit genießen,
die populäre Geschichte verträgt keine Widersprüche und ist auf klare Vorstellungen angewiesen. Das Kernproblem der russischen populären Geschichte liegt heute in der Verarbeitung von Folgen des politischen Systemwechsels. Im Wesentlichen geht es um die Trennung des sowjetischen Politischen von dem Vaterländischen. In der populären Geschichte der Sowjetzeit konnte das Politische und Vaterländische eins sein – Stalin war sowohl ein Kommunist als auch ein Volksvater. In der neuen russischen Geschichte sind nun neue Elemente und andere Akzente vorhanden. Stalin ist zum Beispiel kein Vater mehr, sondern oft ein Schurke. Die Darstellung des deutsch-sowjetischen Krieges in der Art der „Befreiung“ – des gigantischen sowjetischen Spielfilms aus dem Jahr 1969 – ist einfach nicht mehr möglich. Mit einer solchen zwielichtigen Gestalt an der Spitze ist eine national-patriotische Idee schlecht formulierbar. So könnte es passieren, dass der Verräter-General Wlasow zu einem russischen Helden wird, wie in der Ukraine der Nazi Stepan Bandera.


Und während sich die Welt der Erwachsenen den Kopf darüber zerbricht, wie man die Geschichte des Kriegs sauber und propagandistisch wertvoll erzählen könnte, gibt es an der Jugendfront einen Durchbruch. Der russisch-japanische Zeichentrickfilm „First Squad“ (Perviy Otryad) erzählt die Geschichte des deutsch-sowjetischen Krieges wie man es in Russland noch nie getan hat. Die russische Zeitung „Nowaja Gazeta“ beschreibt diesen Film mit folgenden Worten:

„Es ist ein empörend durchgeknallt-gestörter Film. In den Malstrom des Absurden und einer entbundenen Fantasie strömen die Teilchen historischer Fakten und Einzelheiten, die in einer Werkstatt des sozialistischen Realismus gefertigt worden sind, hinein.“

Besser kann man die Neugier nicht wecken.

***

Der Film startet mit den „echten“ Bildern des Krieges. Man sieht die Dokumentaraufnahmen in Zeichentrickfilmformat. Es sind die bekannten Bilder des Zweiten Weltkrieges, die man schon oft gesehen hat und kennt: Städte werden bombardiert, die Wehrmacht marschiert in Paris ein, Judenpogrome finden in Osteuropa statt. Anschließend folgt der Angriff auf die Sowjetunion. Die Stimme der Erzählers berichtet: „Beide Seiten wollen den Sieg, den Sieg um jeden Preis.“ Der Zuschauer kann den historischen Kontext der Geschichte erkennen.

Dann sieht man verschneite Gräben eines Schlachtfeldes. Es ist ein Augenblick der toten Stille vor einem Angriff. Ein russischer Offizier springt aus dem Graben und ruft seine Leute zum Angriff auf: Er dreht sich um und sieht plötzlich, wie vor ihm, ein Kreuzritter des Deutschen Ordens aus einer Nebelwolke sich zeigt und sein Schwert erhebt. Der Kreuzritter schlägt zu und enthauptet den Rotarmisten.


Doch das ist noch nicht passiert. Der Zuschauer hat Nadias Vision gesehen. Nadia ist eine Teenagerin, die mit einer Artistentruppe an der Front Soldaten mit ihrem Auftritt als Medium unterhält. Zwar kann sie die Zukunft anderer Menschen sehen, jedoch erinnert sie sich an ihre eigene Vergangenheit nicht. Das Mädchen weiß nicht, wer sie eigentlich ist. Erst als Nadia bei einem Luftangriff ihr Bewusstsein verliert, erfährt sie etwas. Sie träumt und betritt einen leeren Kinosaal in dem ein Film des „Ministeriums für Zeit und Raum“ gezeigt wird. Sie sieht sich auf den Bildern in einer Vergangenheit, die ein „sowjetisches goldenes Zeitalter“ sein könnte. Es ist ein sonniger Sommer, Nadia feiert zusammen mit den Eltern ihren Geburtstag, dann lernt sie den Pionier Ljonja und seine Freunde kennen. Sie genießen zusammen ihre Schulferien. Diese russische Kindheit ist schön und romantisch wie die Musik Tschajkowskij, die diese Bilder begleitet. Doch mit der untergehenden Sonne in einen der Szenen spürt man das kommende Unheil. Die Kindheit hat plötzlich ein Ende. Bald ist Krieg. Zusammen mit ihren Freunden kommt Nadia in ein Internat der 6.Abteilung des militärischen Geheimdienstes. Die Jungen und Mädchen dieses Internats sind besonders begabt. Sie haben übersinnliche Kräfte und werden hier gelehrt, diese im Kampf zu benutzen. Dann findet der Angriff Hitlers statt. Man sieht wieder die klassischen Bilder des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion. Das Internat wird zerstört. Die Schüler werden gezielt gejagt und getötet. Nadia verliert alle ihre Kameraden. Sie kann sich als einzige retten. Damit ist der Traumfilm vorbei und Nadia erlangt das Bewusstsein wieder.

Ein russischer Mönch rettet das Mädchen. Er hat sie auch gesucht. Nadia erzählt diesem Mönch über ihre Vision. Von ihm erfährt sie auch, wer der Kreuzritter ist. Es ist der Geist des Großmagisters von Wolf, der 1242 seinen Feldzug gegen die Russen führte. Für seine Brutalität bekam er den Namen „Engel des Todes“ . Seine Diener sind die Dämonen der Unterwelt. Er wurde in der Schlacht am Peipussee getötet. Der Sage nach soll der Baron von Wolf in 700 Jahren, 1942 wieder kommen, um sich zu rächen. Der Mönch schickt Nadia nach Moskau, in den Kreml, um dort dem General Belov über diese Vision zu berichten.

In Moskau angekommen, wird Nadia allerdings nicht in den Kreml durch gelassen und wird stattdessen in eine Psychiatrie eingeliefert. Erst dort wird sie von General Belov gefunden. Von ihm erfährt sie auch den Rest ihrer Geschichte. Neben dem sichtbaren Krieg findet ein geheimer unsichtbarer Krieg zwischen der sowjetischen 6.Abteilung des militärischen Geheimdienstes und der Naziorganisation Ahnenerbe statt. Die Operation von Ahnenerbe gegen die Russen lautet „Das Schwert der Vergeltung“. Es soll an der Ostfront eine „Stunde der Wahrheit“ geben. Dafür wird der Geist des Barons von Wolf durch den Vorstandvorsitzenden des Vereins Ahnenerbe gerufen, um an einem Angriff auf die alten Feinde teilzunehmen. General Belov erklärt: „Wenn die Nazis die Kräfte von Baron von Wolf in der Stunde der Wahrheit einsetzen, dann werden sie die ganze Welt erobern.“ Nadia erfährt auch, dass sie die beste Agentin des militärischen Geheimdienstes ist und während des Krieges schon mehrere gefährliche Aufträge erledigt hat. Jetzt muss sie in die Unterwelt reisen und dort ihre gefallenen Kameraden finden. Sie werden für den Kampf gegen den Baron von Wolf mobilisiert. Der sowjetische Geheimdienst baute zu diesem Zweck eine Raumsonde „Sputnik 01“, mit der Menschen in die Unterwelt reisen können. In der Unterwelt findet Nadia nicht nur ihre Freunde und kann sie für den Kampf gegen Baron von Wolf gewinnen, sie stellt auch fest, dass die Armee der Finsternis sich für einen Angriff in der Stunde der Wahrheit vorbereitet.


Als die Agentin aus der Unterwelt zurück kehrt, erklärt ihr der General, dass in der Stunde der Wahrheit durch die Tat eines Einzelnen der Krieg entschieden wird. Der russische Offizier aus Nadias Vision soll durch den Baron von Wolf enthauptet werden. So können die Geister der Unterwelt die Frontlinie durchbrechen. Doch wer dieser Offizier ist und an welcher Stelle der Front das passieren wird, wiß keiner. Zufällig erkennt Nadia auf einem Zeitungsphoto den Offizier aus ihrer Vision. Sie folgt ihm an die Front. Im entscheidenden Augenblick stellt sie sich mit einem Samuraischwert bewaffnet dem Kreuzritter entgegen und kann diesen Offizier retten. Auch ihre Freunde entsteigen der Unterwelt und helfen die Armee der Finsternis zu schlagen. „Nadia hat den Wolf gekillt“ – ruft einer ihrer Freunde begeistert. Die Stunde der Wahrheit ist entschieden. Die Rotarmisten folgen dem Aufruf des Offiziers und greifen den Feind erfolgreich an.

***
Die russische Zeitung Nezawisimaja Gazeta erkennt die Funktionsweise dieses Films richtig, wenn sie schreibt:

„Was das Sujet angeht, so ist dieser Film tatsächlich ein absurder Brei sowjetischer Mythen über den Großen Vaterländischen Krieg. Aber man kann die exzellente Zubereitung dieses Breis nicht übertreffen. Hier hat man nicht mit den oberflächlichen Mythen zu tun, sondern mit den tiefgründigen.“

Natürlich haben „seriöse“ Menschen nach einer solchen Geschichte das Recht, verächtlich mit den Schultern zu zucken. „First Squad“ ist kein Film für „seriöse“ Menschen, sondern für moderne Jugendliche. Es ist eine faszinierende Mischung der sowjetischen Kriegsfilmklassik mit der westlichen Popcorn-Unterhaltung, eine Verschmelzung von „Befreiung“ mit „Matrix“, „X-Files“ und „Alexander Newski“, „Herr der Ringe“ und „Iwans Kindheit“.

Doch erst die richtige Mischung macht eine postmoderne Erzählung über den Zweiten Weltkrieg überzeugenden. Gerade wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, mit all den sowjetischen Meisterwerken, ist der russische Zuschauer in seinem Geschmack gut erzogen. So schrieb der russische Nato-Botschafter Dmitrij Rogozin in seinem Twitter Blog folgendes über den aktuellen amerikanischen Film von Quentin Tarantino „Inglorius Bastards“:

„Ich habe den Film gesehen und meine, dass der Autor ein Bastard ist, wenn auch ein berühmter. Wenn die USA so viel Opfer im Krieg hätten, wie wir, so würden die nicht auf die Idee kommen, diesen Film auszuzeichnen.“

Auch ein russischer Versuch, die Geschichte des Krieges „locker“ und „cool“ zu machen, ist mit dem Film „Bastarden“ (Svolochi) gescheitert. Dieser Film erfindet eine „wahre Geschichte“ von kriminellen russischen Jugendlichen, die während des Krieges zu Kommandos ausgebildet werden, um ein geheimes Lager der SS zu zerstören. Bei dem MTV-Russia gewann dieser Film die Auszeichnung „Bester Film des Jahres“. Doch die Preisverleihung endete mit einem Skandal. Ein populärer russischer Schauspieler hatte sich während der Zeremonie geweigert, auf der Bühne den Filmemachern den Preis zu übergeben. Er meinte:

„Soll die Pamela Anderson diesem widerlichen und für unser Land schändlichen Film den Preis übergeben.“

Wie man sieht, der russische national-patriotische Geschmack ist wählerisch. Dass der Film „First Squad“ alles richtig machte, kann man aus dem Zitat der liberalen und elitären russischen Zeitung Nezawisimaja Gazeta am 16.10.2009 entnehmen:

„Der ideelle Gehalt dieses Films verdient nicht genug des Lobes. Hätte man über den Großen Vaterländischen Krieg unserer Jugend und insbesondere der westlichen Jugend schon immer so erzählt, dann hätte man nicht den Fall der Versetzung des Denkmals für die russischen Soldaten in Tallinn, oder würde die „Kommission zum Entgegenwirken auf Versuche der Geschichtsfälschung zum Nachteil der Interessen Russlands“ nicht nötig haben.“


Ein Film, der mehr Kraft hat als alle Geheimdienste in der russischen Geschichtskommission?

***

„First Squad“ ist ein exzellentes Beispiel der „konservativen Modernisierung“. „Konservative Modernisierung“ ist ein aktuelles russisches Ideologem, das die moderne Technik mit der russischen Tradition zusammenbringen soll. Modern oder besser gesagt Postmodern ist die Weise des Erzählens bzw. Darstellung in dem Film . Konservativ und traditionell ist die Idee des Films. Wir sehen Russland als Mosaik, in dem symbolische Bilder wie Steinchen ein Ganzes bilden: Tschechow und Tschajkowski, Zirkus und Metro, Kreml und Datscha, Pioniere und Mönche, Geheimdienste und T- 34 Panzer. Es werden tiefwurzelnde Bedürfnisse nach vertrauten Bildern befriedigt. Die Vergangenheit scheint wieder lebendig und nah zu sein. Das Rationale und Irrationale sind (wie bei jedem normalen Menschen) verwoben.

Die mythologische Maschine dieses Films erreicht durch die perfekte Anpassung der Theologie, Geschichtsphilosophie und Historiographie miteinander ihre kraftvolle Wirkung.

Der Zuschauer kann mit diesem Film sehen, dass der Große Vaterländische Krieg eine Episode der gesamten russischen Geschichte ist und nicht einfach eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln bzw. ein Betriebsunfall. Nazideutschland habe Russland angegriffen, wie schon vor 700 Jahren die Kreuzritter. Und diese Ereignisse der Geschichte sind Manifestationen des Urkampfes zwischen Gut und Böse. Die Verknüpfung von Nazis mit den Kreuzrittern wurde in der sowjetischen populären Geschichte 1938 in dem Film „Alexander Newski“ gemacht. Der sowjetische Kulturmacher Stalin wollte einen Film, mit dem das russische Volk auf den kommenden Krieg mit den Nazis eingestimmt wird. Somit ist „First Squad“ eine Art zweiter Teil des propagandistischen Meisterwerkes von Sergej Eisenstein „Alexander Newski“. Wir sehen die Wiederholung der Geschichte. Und die Rollen des Guten und des Bösen, wie sie in der sowjetischen Tradition der populären Geschichte fixiert wurden, bleiben bewahrt. Sie haben auch einen universellen Charakter – wer würde heute behaupten, dass die Nazis die Guten waren?


Der andere Aspekt betrifft die Bedeutung des Individuums. Gerade in der populären Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist die Rolle und das Schicksal eines einzelnen Menschen unwichtig. Und wenn, dann sind es die Namen der Großen, die häufig genannt werden, die Namen von mächtigen Führern und ihren Kriegsherren. Auch die Akzentuierung auf das individuelle Leiden der Opfer wird in der Masse des Leidens unmöglich. Dass in dem „First Squad“ein junges zierliches Mädchen in den Mittelpunkt der Weltgeschichte gestellt wird, wirkt deswegen wie eine Provokation gegenüber der Norm. Es widerspricht dem „gesunden Menschenverstand“. Zwar haben auch Kinder in der sowjetischen Armee an der Front gekämpft und in dem militärischen Nachrichtendienst gedient, doch gehören auch sie der Masse der Kämpfer an. Nadias Rolle ist dagegen überzeugend, wenn man die Umschaltung auf die Ebene des mythologischen Denkens zulässt und mitmacht. Nadia ist Kassandra im Dienste des russischen Vaterlandes. Doch im Gegensatz zu den Trojanern braucht man die Kassandra im Kreml. Die individuellen Fähigkeiten sind gefragt und dienen dem kollektiven Werk.

„First Squad“ ist damit auch eine Übersetzung der „Ilias“ in die moderne Sprache der Jugend. Es sind die höheren Kräfte des Guten, die der russischen Heldin helfen, in dem totalen Krieg siegreich zu sein. Held sein ist wieder möglich. Und sogar noch Heldin.

Und schließlich geht es in dem Film um eine „Stunde der Wahrheit“. Der Krieg als Summe aller Ereignisse wird in einem einzigen Augenblick entschieden. Als rational denkende Menschen können wir eine solche Aussage gelten lassen, wissen aber die Unmöglichkeit des Beweises und sind deswegen nicht in der Lage, daran zu glauben. „First Squad“ präsentiert den Beweis. Er verweist auf eine wichtige Reliquie und macht damit den Glauben wieder möglich. In dem wiederkehrenden statischen Augenblick, als im Film der Offizier seine Soldaten zu einem Angriff aufruft, erkennt der russische Zuschauer sofort den wahren historischen Augenblick. Es handelt sich um ein Zitat des berühmten Kriegsphotos von Max Alpert „Kombat“, das 1942 gemacht wurde. Man versteht plötzlich, dass, wenn Nadia diesen Kampf verliert, es dieses Photo auch nicht mehr geben wird . Das kollektive Bewusstsein der Kinozuschauer wird mit der Bedrohung konfrontiert, ein wichtiges Artefakt der Erinnerung und damit die Geschichte selbst zu verlieren. Der Sieg gegen die Nazis wird somit nicht mehr eine Summe von bekannten und unbekannten Ereignissen, sondern an einem einzelnen Punkt und durch eine individuelle Handlung greifbar. Der Verweis auf ein altes Kriegsphoto verleiht der Erinnerungskultur eine existenzielle Bedeutung. Das Photo wird zu einer Reliquie. Wenn es dieses Photo nicht mehr gibt, dann wird es den russischen Sieg von 1945 nicht mehr geben. Die Notwendigkeit des Kampfes für die Bewahrung der Geschichte des Sieges wird den Zuschauern nach dem Anschauen des Filmes bewusst. ( Es gibt tatsächlich Behauptungen, das Photo von Max Alpert sei eine Fälschung. )


Man kann also sagen, dass„First Squad“ ein kleines propagandistisches Meisterwerk ist. Es schien nach dem Systemwechsel und dem Orkan der Geschichtskorrektur als unmöglich, einen national-patriotischen Film für russische Jugendliche über den Zweiten Weltkrieg zu machen, ohne dabei billig und provinziell zu werden. Der Durchbruch kam nun im Form eines künstlerischen Partisanenangriffes. Mit den Mitteln der postmodernen Erzählung und Techniken, stellte man den verloren geglaubten Bezug zu der Tradition der sowjetischen populären Geschichte wieder her und brachte dabei die zivilisatorischen Grundsätze wieder zum Ausdruck:

„Die Nazis sind die Bösen!“

„Denke an die Geschichte!“

„Die Tat jedes Einzelnen ist entscheidend!“

Nichts ist aktueller und wichtiger als diese Botschaft in und aus Russland von heute.

Ende

2 Antworten to "Wie Nadia den Nazi-Dämon gekillt hat – Der russisch-japanische Zeichentrickfilm „First Squad. Moment of Truth“"

Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild “ Kombat “ von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann?
Ich habe Erkenntnisse, das es sich bei dem dargestellten Offizier nicht um den politischen Leiter Jerjomenko handelt

Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähnt.

http://ru.wikipedia.org/wiki/Комбат_(фотография)

Hinterlasse einen Kommentar


  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

Kategorien