über die Grenze

Kleine Obama-Show in Moskau, Teil2

Posted on: Juli 13, 2009

Was die beiden Präsidenten, Obama und Medwedew, hinter den verschlossenen Türen des Kremls einander gesagt haben, wird wohl noch für Jahrzehnte, so wie es in der Außenpolitik üblich ist, geheim bleiben. Der Blick bleibt einem Normalsterblichen verwehrt. Das Treffen mag einem Schachspiel ähnlich gewesen sein. Staaten, Personen, Allianzen werden zu Figuren, Feldern, Konstellationen. Sie werden bewegt, besetzt, gebildet und fallen gelassen. Dabei müssen die beiden Präsidenten als neue Spielführer an einem alten Spiel teilnehmen, das schon mehr als einem Jahrhundert zwischen den beiden Staaten intensiv betrieben wird. So war das Treffen in Moskau eine Art Gelegenheit, einander kennen zu lernen. Die Präsidenten mussten die gegenseitigen Absichten ergründen, Konturen der nächsten Spielrunde festlegen. Erst im Verlauf der Zeit werden Abläufe und Ereignisse des Weltgeschehens uns einen Hinweis darauf geben, welche Abmachungen hinter den verschlossen Türen des Kremls getroffen wurden.

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Man kann aber in diesem Zusammenhang auch an Leo Tolstoj denken, wie er in seinem großartigen Roman Krieg und Frieden einst formulierte:

„Die Handlungen von Napoleon und Alexander, von deren Worten scheinbar abhängig war, ob ein Ereignis stattfinden oder nicht stattfinden wird – waren genauso wenig frei, wie die Handlungen eines Soldaten, der seinem Los oder der Einberufung in den Krieg folgte.“

Das moskauer Treffen wird im Einklang mit der öffentlichen Erwartung als ein Übergang von der Beziehungskrise zu einem Gespräch präsentiert. Für ein Gespräch braucht man das Gemeinsame. Das wäre der Kampf gegen die Taliban und al-Qaida. Sergej Rogow, der Direktor des Institutes für die USA und Kanada der russischen Akademie der Wissenschaften, beschreibt die Umstände:

„Das Toptreffen im Juli zeigt, dass die tiefe Krise in den Beziehungen zwischen Moskau und Waschington, mit der die Amtszeit von George Bush Junior beendet wurde, überwunden ist . Es schien damals so, als ob man an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg gestanden hatte. Heute ist klar, dass es keine Rückkehr zu den Zeiten der Konfrontation gibt. Im Vordergrund stehen nun gemeinsame Interessen beider Staaten, die uns erlauben, seriöse Vereinbarungen bei einer Reihe von Problemfeldern der internationalen Sicherheit und beidseitiger Beziehungen zu treffen.“

Der russischen Weltinterpretation nach, oder der einer einflussreichen Mehrheit, sind die Amerikaner für die aktuelle Beziehungskrise alleine und voll verantwortlich. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gehegte Hoffnungen auf eine positive Zusammenarbeit mit den USA wurden im Laufe der Zeit zerstört. Langsam wurde die Ansicht klarer, dass man gegeneinander arbeitet. Dabei ist die russische Liste von Vorwürfen an die Adresse der Amerikaner nicht gerade kurz.

Ironie des Schicksal, aber schon Putin und Bush hatten einen Neustart betrieben. Den alten Neustart inszenierte man nach den Verstimmungen der Kosovo und Tschetschenien Kriege. Er stand im Kontext des 11.September 2001. Man nutzte damals dafür, wie man es heute wieder macht, das Gemeinsame, den üblichen Feind – die Taliban samt Al Kaida. Und doch ist man beim alten Neustart nicht weit gekommen. Dazu, von Sergej Rogov:


„Damals hatte Wladimir Putin Bush ohne Vorbedingungen unterstützt. Im Endergebnis, nachdem die Amerikaner Kabul eingenommen hatten, bekam Russland als Gegenleistung den Ausstieg der USA aus dem Raketenabwehrvertrag, die Nato Erweiterung und amerikanische Stützpunkte in Zentralasien.“

Auch der Direktor des Institutes für aktuelle internationale Probleme, Alexej Puschkow, sieht in der Vorgehensweise der Amerikaner den Grund für die Beziehungskrise. Und eine Besserung kann es deshalb nur dann geben, wenn die Amerikaner ihre Außenpolitik gründlich überarbeiten:

Es hängt heute alles viel mehr von der USA ab. Es waren die USA, die alle großen strategischen Aktionen eingeleitet haben – Bombardierung von Belgrad, Okkupation des Irak, Erweiterung der Nato, Pläne zu Errichtung der Raketenabwehr in Osteuropa, Schaffung von Militärbasen in Zentralasien und der Krieg in Afghanistan. Es wird von den Veränderungen in der US-Außenpolitik abhängen, ob unser Dialog mehr Inhalt bekommt. “

Doch könnte diese Schilderung von amerikanischen Aktionen den wichtigsten Grund für die Verstimmung verdecken. Belgrad und Irak liegen heute fernab des gegenwärtigen russischen Einflussgebietes. Der Krieg in Afghanistan und die Militärbasen in Zentralasien sind insofern von Vorteil, weil sie der Entlastung des Sicherheitsproblems an der russischen Südgrenze dienen. Man beobachtet das Feuer am gegenüberliegenden Ufer. Die bisherige Erweiterung der Nato, wie unangenehm sie auch fürs Gemüt sein mag, stellt keine akute Gefahr dar. Darum ist der Politologe Stanislav Belkowskij der Meinung, dass es daran liegen könnte, dass Putin von den Amerikanern beleidigt wurde:


„In Wirklichkeit hat Russland Amerika nichts schlechtes getan, außer, dass es sie verflucht und auf sie geschimpft hat. Der Grund, warum Putin sich von Amerika beleidigt fühlte, war der, dass sie als Gegenleistung für seine Zugeständnisse und sein Lächeln nichts angeboten hatten. Und der entscheidende Faktor war in diesem Fall die orangene Revolution in der Ukraine, als Putin dachte, dass Amerika ihn betrogen hat, indem Amerika es nicht zugelassen hat, dass Wiktor Janukowitsch ukrainischer Präsident im Jahr 2004 wird.“

Tatsächlich hat Wladimir Putin damals in der Ukraine seinen größten Image Schaden erlitten. Aber dafür konnte er sich vier Jahre später, im August 2008, revanchieren, indem er den kaukasischen Freund von George Bush Michael Saakaschwili dazu gebracht hat, vor laufenden Kameras, gestresst durch den Krieg mit Russland, seine Krawatte in den Mund zu stecken und zu kauen.

http://www.youtube.com/watch?v=YU-XeWpdV0I

Somit ein Neustart.

Ein Neustart aber auch, weil es zurzeit Zeichen für ein Umdenken in der amerikanischen außenpolitischen Strategie gibt. Die Regierung von George Bush hat es geschafft, dass das Ansehen der USA in fast allen Sphären der internationalen Beziehungen beschädigt wurde, wie Nikolaj Zlobin, Direktor von russischen und asiatischen Programmen an dem Institut für Weltsicherheit in Washington meint:

„Ihre Reputation erlitt einen großen Schaden, als sie versuchten, mit den Mitteln der rohen Gewalt der Welt ihre Vormacht, ihre Weltsicht und ihre Werte aufzudrängen. Es sieht danach aus, dass der mächtigste Staat der Welt, indem er die Unmöglichkeit und den Schaden einer solchen Strategie, aber auch die Verringerung des realen Einflusses und des Potentials erkennt, stärker versuchen wird, zu einer prinzipiell neuen Strategie zu wechseln und die Rolle einer Führungsmacht in einem Bündnis mit anderen einflußreichen Staaten zu ergreifen.“

Ob das so einfach geschehen kann? Gesellschaften sind keine Armeeeinheiten, die den Befehlen der Strategen folgen. Traditionelle Vorstellungen und Weltsichten bestimmen das Verhalten. Versucht man diese zu verändern, kann man mit starkem Widerstand rechnen. So werden außenpolitische Notwendigkeiten zur Geisel der inneren Politik. Obamas Absicht zu einem Neustart mit Russland hat viele Feinde in den USA, wie Alexej Puschkow in seinem Beitrag für die Zeitung Izvestia meint:

„Die Situation wird auch dadurch verkompliziert, weil, als kaum die Idee eines Neustarts von Obama ausgesprochen wurde, sie in den USA bereits stark attackiert wurde. Alle Gegner Russlands, denen auch die russische proamerikanische liberale Opposition beistimmt, haben Obama beschuldigt, dass er vor hat „sich zu ergeben“, „amerikanische Ideale“ zu verraten und ein Appeasement mit Russland zu betreiben. Die Feindschaft gegen Russland sitzt seit dem „Kalten Krieg“ tief, sie ist ins Fleisch und Blut der amerikanischen Politik übergegangen. Sie ist wie ein Virus in dem amerikanischen politischen Körper, der sich bei jedem neuen Schritt meldet.“

Wohl um diese Worte von Alexej Puschkow zu bestätigen, griff die Ikone der liberalen Opposition Russlands, Walerija Nowodworskaja, den amerikanischen Präsidenten nach seinem Besuch in Moskau in einem Interview für den Sender Echo Moskaus stark an:

„Meiner Meinung nach hat Obama Kennedy überholt, weil, sie müssen ja zugeben, dass man nichts besseres vor hat, als nach Russland zu kommen, wo der Parlamentarismus schon lange nicht mehr lebt, … und dann hier den amerikanischen Parlamentarismus zu kritisieren, in diesem Kontext, vor diesem Publikum – das ist natürlich eine ausgezeichnete Entscheidung, denn man hat ja nichts mehr, worüber man sich beschweren könnte. Hier darf man so was nicht machen. Und überhaupt, so darf man es nicht tun.

Und dann folgt die Empfehlung an die Adresse von Obama, wie er es richtig machen soll:

„Der Kalte Krieg“ ist der einzige Mittel, um den heißen Krieg zu verhindern. In der Welt, in der es totalitäre Herrschaften und Staaten, die europäische, westliche und allgemeinmenschliche Werte teilen, gibt, ist es der einzige Schutzmechanismus.“

Ähnliche Probleme hat man auch in Russland. Man kann nach zwanzig Jahren Enttäuschung im Umgang mit den USA die Stimmung in der Bevölkerung nicht einfach ausschalten oder umschalten. Der politische Kommentator der RIAN Dmitrij Babitsch definiert den engen Spielraum von Dmitrij Medwedew:

„In Russland, mit seinem Trauma der nicht erfüllten Träume von Integration in die Gemeinschaft demokratischer Staaten, wird nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion jede Ähnlichkeit mit der Politik des „Neuen Denkens“ von Gorbatschow negativ aufgenommen. Es ist bekannt, dass die Politik, die zuerst eine vernünftige Anerkennung von dem Vorrang „allgemeinmenschlicher Werte“ und planetarischer Interessen über den Egoismus einzelner Nationalstaaten verfolgte, in dem Zeitraum von 1989-1991 zu einseitigen Zugeständnissen und einem Kleinhandel mit strategischen Interessen für Kredite und humanitäre Hilfe degradiert ist. Nicht einmal die kleinste Andeutung darauf, egal welche Versprechungen eines Durchbruches dabei gemacht werden, kann sich Medwedew leisten.“

Wie können dann die Konturen eines neugestarteten Verhältnisses in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten aussehen?

Bei den bekannten Themen an der gemeinsamen Tagesordnung scheint Afghanistan das einfachste zu sein. Russland ist bereit, der USA bei ihrem Kampf in Afghanistan zu helfen, indem es einen Luftkorridor für Transporte öffnet. Was den Umgang mit den Staaten wie Iran oder Nordkorea angeht, so gibt es in dem Diskurs der Gesellschaft unterschiedliche Positionen. Die bereits zitierte Ikone der Liberalen Walerija Nowodworskaja fordert einen Krieg:

Mir scheint es, dass das Problem mit Nordkorea nur so gelöst werden kann, wie man es im Irak gelöst hat. Also mit Hilfe der amerikanischen Invasion. Anders kann man diese Frage nicht lösen.“

Man darf auch den Iran nicht unbestraft lassen, der lange und zielstrebig, übrigens unter unserer Führung, sein nukleares Programm entwickelt. Früher oder später muss man diese Frage lösen. Und es ist besser diese Frage heute mit scharfen Wirtschaftssanktionen und einer Blockade, als später mit Hilfe der Waffen zu lösen.

Die andere Meinung wird von Maxim Schewtschenko wiedergegeben. Hier ist die Lösung des Problems die Loslösung der Iran und Korea Frage aus dem amerikanischen Kontext. Russland hat keine Probleme mit diesen Staaten.

Wir müssen keine amerikanischen Fragen beantworten, wie wissen selber, wie wir unsere Beziehungen zu Nordkorea gestalten, ohne dass man uns dabei helfen muss, oder dass wir Fragen aus Waschington beantworten müssen. Warum müssen wir die amerikanische Sicht als die einzig mögliche Problemsicht akzeptieren? Das ist ihr Problem. Wir haben andere Probleme.

Wir halten diese Staaten nicht für feindselig und gefährlich. Und wenn uns eine Vorstellung von Nordkorea, oder vom Iran als Staaten, die Russland bedrohen, aufgezwungen wird, so handelt es sich um eine fremde Botschaft, fremde Sicht.“


Man darf vermuten, dass die russische Haltung zu genannten Staaten flexibel sein wird. Der Feind deines Feindes ist dein Freund. Wer darf der Feind sein? Diese Flexibilität hängt mit einem anderen Thema, bei der Russland wenig Kompromisse machen wird, zusammen – den Staaten der ehemaligen UdSSR. Sergej Karaganow, der Vorsitzende des Präsidiums des Rates für Außen- und Sicherheitspolitik, sieht die Rivalität zwischen Russland und den USA auf dem postsowjetischen Raum im Vordergrund stehen.

Wenn die USA die Idee des Nato Beitrittes der Ukraine nicht fallen lassen, dann ist eine langfristige Verbesserung der Beziehungen nicht möglich. Erfolge im Bereich der Abrüstung sollten eine positive Reserve bilden für den Fall künftiger Krisen, in der Art, wie man sie mit Georgien hatte.“

Man scheut anscheinend in dieser Frage keine Rivalität und ist nicht bereit, eine verordnete Rolle zu übernehmen. Der Neustart-Prozess soll so der Bestimmung von Positionen dienen, damit die Rivalität nicht zu einer offenen Konfrontation wird. Und wenn es einige Stimmen gibt, die auf die verheerenden Ergebnisse der alten Rivalität verweisen, den Zusammenbruch der UdSSR, so meint Maxim Sokolov in seinem Kommentar für die Izvestia-Zeitung:

Die Erkenntnis der Ausweglosigkeit ist heute sehr fern – auch nicht zuletzt, weil der Kontrahent nicht in der besten Geschäftsverfassung ist – und es könnte passieren, dass ein zukünftiger Historiker schreiben wird, dass die eine Supermacht, die andere Supermacht mit in den Untergang gezogen hat. Was aber die hellen Hoffnungen angeht, so waren die letzten zwanzig Jahre die stärkste Schocktherapie gegen die Illusion und eine Erinnerung daran, dass man die nationalen Interessen nicht los wird. Auf die Rückkehr zu einem Neuen Denken wird man noch lange warten.“

In diesem Zusammenhang bezieht sich Maxim Sokolov auf diejenigen Stimmen in Russland, die heute über die Möglichkeit eines Auseinanderbrechens der USA sprechen. Obama spielt in diesen Vorstellungen die Rolle eines amerikanischen Gorbatschows, der sein Land zugrunde reformieren wird.

Doch vorerst und überhaupt sollten die Russen, laut Leonid Radzichowskij, den Neustart ihres Amerika Bildes versuchen, damit man sich auf der Grundlage einer adäquaten Sicht seine Gedanken über die Beziehungen zu dem Land machen kann:

„Die USA sind keine Engel. Sie verletzten die Spielregeln hier und dort (das Prinzip : Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn). Sie sind in ihrer Politik überheblich und machen grobe Fehler. Es gibt Eigeninteressen von Konzerngruppen. Aber wir müssen ehrlich sein – „Fortschritt“ ist eigentlich kein leeres Wort. Und in den letzten 20-30 Jahren haben wir eine humanere Welt gehabt, als irgendwann sonst. Und das ist eine große politische Leistung des Weltgendarmes. Und sein Beitrag in den wissenschafts-technischen Fortschritt muss nicht einmal betont werden.

Ich denke, dass ein solches Verstehen der Rolle und Selbsteinschätzung der USA angebrachter ist als eine Vorstellung über die USA als ein klassisches imperialistisches Raubtier.“


Somit ein Neustart!

Ende

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  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

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