über die Grenze

Die Stunde der Strategen

Posted on: Mai 26, 2009

START Der Strategic Arms Reduction Treaty (= Vertrag zur Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen) ist ein Abrüstungsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zur gemeinsamen allmählichen Reduzierung atomarer Trägerwaffensysteme.
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/START)

Der START-Vertrag läuft am 5.Dezember 2009 ab. Erste Verhandlungen über ein neues Abkommen fanden vergangene Woche in Moskau statt. Das bestehende START-Abkommen sichert das strategische Gleichgewicht zwischen Russland und den USA. Der Vertrag hat etwa 500 Seiten und enthält verschiedene Protokolle, Memoranden, gegenseitige Kontrollmaßnahmen und Kontrollprozeduren. Der amtierende russische Präsident Dmitrij Medwedew hatte vor dem Beginn der russisch-amerikanischen Verhandlungsrunde die große Bedeutung des ablaufenden Vertrages für die Sicherheit der Welt und die strategische Stabilität gewürdigt. Nicht zuletzt ist es ein Ergebnis dieses Vertrages, dass im Vergleich zu dem Stand der 80-er Jahre, die weltweite Zahl der Atomwaffen sich um 70 Prozent verringerte. Im Kern des Vertrages liegt die Idee, dass die Sicherheit eines Staates in der Bewahrung einer garantierten nuklearen Vergeltungsfähigkeit besteht. Und dass keiner der beiden Seiten unkontrolliert aufrüstet, um die Vergeltungsfähigkeit der anderen Seite zu verringern.

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Der neue Vertrag

Mit dem Ablauf des START-Vertrages am 5. Dezember 2009 wird es kein System von Kontrollen und vertrauensbildenden Maßnahmen mehr geben, wenn es nicht gelingen wird, sich auf einen neuen Vertrag zu einigen. Ohne den Vertrag gibt es keine Bewegung zur Stärkung des Atomwaffensperrvertrages, wie Aleksej Arbatov, Direktor des Zentrums für internationale Sicherheit an dem Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen im Interview für das Radio Echo Moskaus meint:

„Neue und neue Staaten werden zu Atommächten . Und endlich werden Terroristen im Besitz von Atomwaffen sein. Und dann geht das Ding in irgendeiner Hauptstadt hoch. Ich versichere Ihnen, dass, ohne einen neuen Vertrag, kein Staat ohne Atomwaffen Schritte in Richtung der Bemühungen zu Nichtverbreitung von Atomwaffen unternehmen wird.“

Während der Regierungszeit von George W. Bush hatte man nicht die Absicht, über die Zukunft des Vertrages zu verhandeln. Erst mit dem Amtsantritt von Barack Obama und seinen Plänen zu einer vollen Abschaffung von Atomwaffen in unmittelbarer Zukunft ist die amerikanische Seite ernsthaft bemüht, den Weg zu einem neuen Vertrag zu bestreiten.

Positionen

Doch es gibt einige Hindernisse auf dem Weg zu einem termingerechten Vertragsabschluss. Zuerst ist es das geplante amerikanische Raketenabwehrsystem in Osteuropa. Dann ist es das sogenannte Rückehrpotential der Amerikaner, d.h. es geht um die Nuklearsprengköpfe, die von den Trägersystemen entfernt, gelagert und nicht zerstört werden. Schließlich gibt es noch das amerikanische Vorhaben, einige strategische Waffensysteme mit konventionellen Sprengköpfen auszurüsten.

Das geplante Raketenabwehrsystem widerspricht dem Geist des START-Vertrages – so ist die Meinung der russischen Seite. Der stellvertretende Direktor des Institutes für die USA und Kanada, stellvertretender Leiter des Verteidigungsrates der Russischen Föderation Generalmajor Pavel Zolotarev definiert:

„Wenn es um das Problem der Raketenabwehr geht, dann muss ich betonen, dass die Errichtung eines solchen Systems in einem klaren Widerspruch zu der Vorstellung einer völligen Beseitigung von Atomwaffen steht.“

Und der Direktor des Zentrums für internationale Sicherheit an dem Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen Aleksej Arbatov erklärt diese Position weiter:

„Kein Land der Welt wird es zulassen, sein Vergeltungsschlagpotential zu verringern. Dieses Potential kann man entweder durch einen Präventivschlag oder mit Hilfe einer Raketenabwehr zerstören. Man kann es auch kombinieren.“

Doch es gibt keinen kategorischen Widerstand gegen ein Raketenabwehrsystem der Amerikaner, sofern es nicht eindeutig das strategische atomare Gleichgewicht beeinträchtigt. Aleksej Arbatov dazu:

„Die Raketenabwehr dürfen die Amerikaner bauen, aber nicht gegen uns. Sonst würde man wieder zu den Zeiten der totalen Aufrüstung zurückkehren.“

Auch der Generalmajor Pavel Zolotarev sieht es ähnlich:

„Im Prinzip sollte man die Notwendigkeit der Raketenabwehr nicht verneinen. Sie ist im taktischen, regionalen Bereich sinnvoll . Ihr Potential kann wirkungsvoll gegen die Verbreitung von Atomwaffen sein. Ein potentieller Besitzer von Nuklearwaffen soll wissen, dass das, was er an Nuklearwaffen besitzt, abgewehrt werden kann. Man sollte die gemeinsamen Bemühungen Russlands und der USA als auch anderer Staaten von diesem Standpunkt aus sehen. Man sollte sich in eine Richtung bewegen, dass dabei kein Sicherheitsrisiko für die Partnerstaaten entsteht.“

Wie man sieht, ist die Haltung gegen die Raketenabwehr locker. Es liegt wohl an den Schwierigkeiten der technisch-finanziellen Realisierbarkeit und an der Erfahrung aus den Zeiten des Präsidenten Ronald Reagan mit seinem Krieg der Sterne Programm, das mehr ein Bluff war, mit dem die sowjetische Seite allerdings stark beeindruckt wurde.

Das andere Problem, das Problem des Rückkehrpotentials ist im Augenblick wichtiger, weil die russische Seite über ein solches Potential nicht verfügt. Laut Generalmajor Wladimir Dworkin, dem leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter an dem Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, verfügt die amerikanische Seite etwa über 1500 bis 2000 Nuklearsprengköpfe, die sie wieder in die Einsatzbereitschaft bringen kann. Darum ist es der russischen Seite wichtig, dass:

… nicht nur die Sprengköpfe entfernt werden, sondern auch die Starteinrichtungen. Wenn man die Rakete aus einer Starteinrichtung entfernt und diese Einrichtung danach zerstört wird, dann ist die Rakete nutzlos, denn man kann nicht eine Rakete aus einem Eimer starten. Man braucht also die Reduzierung des Rückkehrpotentials.“


Hinter den Positionen

Wer hat nun die stärkere Position in den kommenden Verhandlungen? Wer hat die besseren Trümpfe, fragt man. Scheinbar ist die russische Position die schwächste. Denn durch die Umbrüche der Vergangenheit konnte man es sich nicht leisten, mit den Amerikanern in diesem Bereich Schritt zu halten. Es findet eine Reduzierung auf einem natürlichen Wege statt. Waffensysteme überschreiten ihre Betriebslaufzeiten und es fehlt an Geld, sie im vollen Umfang zu ersetzen. Realistisch gesehen, wird die Reduzierung bis auf die Grenze von 1500 Nuklearsprengköpfen nur auf der amerikanischen Seite erfolgen, falls man sich auf diese Zahl einigt. Doch hier machen die Russen aus der Not eine Tugend .
Der ideologische Systemumbruch ist auch ein Umbruch bei den Nuklearwaffensystemen. Alexej Arbatov dazu:

Wir haben aufgehört, die Amerikaner zu kopieren. Das ist die größte Veränderung der letzten zwanzig Jahre. Denn zur Zeiten der Sowjetunion gab es kein amerikanisches System, das wir nicht kopiert und mit Verspätung gebaut haben. Nun hat uns die Wirtschaftslage so eingeengt, dass wir den Überfluss nicht mehr haben. Und wir bauen jetzt das, was wir wirklich brauchen. Topol-M ist in diesem Sinne für uns ein ideales System. Ein solches System haben die Amerikaner nicht.“

Was auf der einen Seite weniger geworden ist, muss nun auch auf der anderen Seite weniger werden. Den Druck auf die amerikanische Seite, ihre strategischen Nuklearwaffen zu reduzieren, erhöhen nicht die Russen, sondern die weltpolitische Lage.

Pavel Zolotarev interpretiert es folgendermaßen:

Die heutige Lage von internationalen Beziehungen zwingt die Vereinigten Staaten zu einer anderen Wahrnehmung ihrer Rolle in der Welt. Sie können nicht mehr einen Weltpolizisten spielen, sie müssen eine Führungsmacht werden.“

Wie man bereits erwähnt hat, würde das Scheitern von Verhandlungen katastrophale Folgen für Bemühungen um die Nichtverbreitung von Atomwaffen haben. Der Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrages fordert die nukleare Abrüstung. Eine Beteiligung von nuklearen Mächten an der Reduzierung von Atomwaffen wird dann nicht mehr möglich sein, wenn sich die nuklearen Supermächte nicht einigen. Und so kann die russische Seite den Druck erhöhen, so wie es Alexej Arbatov im Interview für Echo Moskaus zum Ausdruck bringt:

Faktisch werden wir die Amerikaner testen. Wir sagen – Ihr redet von der nuklearen Abrüstung? So beweist es. Los! Eure U-Boote können noch zwanzig Jahre einsatzfähig sein. Demontiert diese! Raketen? Auch! Flugzeuge? Auch! Wenn ihr für die nukleare Abrüstung seid, dann muss man abrüsten. Und dann wird man sehen. Wenn die Amerikaner diesen Weg gehen, dann wird das Verhältnis zu den weiteren Abrüstungsschritten besser werden.“

Die amerikanische Seite steht, wie man sieht, vor echten Entscheidungen. Nicht nur, dass es dabei um Waffensysteme geht, die noch zwanzig Jahre dienen könnten, sondern auch um eine der Säulen der amerikanischen nuklearen Triade, wenn Barack Obama von einer Grenze von 1000 Nuklearsprengköpfe spricht.

Dazu Andrej Fediaschin, politischer Kommentator der RIAN:

„In diesem Fall muss Amerika sich von einer der Säulen ihrer nuklearen Triade – der landgestützten, der seegestützten oder der luftgestützten Säule – verabschieden. Es wäre zu teuer, alle drei zu behalten, wenn man nur 1000 Nuklearsprengköpfe hat. Obama ist aber kein politischer Selbstmörder, um das unter den politisch-militärischen Verhältnissen Amerikas durchsetzen zu wollen.“

Doch auch die russische Seite hat einen innerpolitischen Druck. Der START-Vertrag ist unpopulär. Das russische nationale Massenbewusstsein sieht es im Zusammenhang mit dem Niedergang der Sowjetmacht . Wohl sicherheitshalber verglich der Sprecher des Föderationsrates Sergej Mironov die Unterzeichnung des alten Vertrages als ein Akt des Verrats. Und der amtierende Verteidigungsminister Serdjukow bezeichnete diejenigen, die den Vertrag unterzeichnet haben, als Verbrecher.
Der russische Schriftsteller mit Beziehungen zum Generalstab, Alexander Prochanov, spricht die Ängste aus:

Das amerikanische System der Raketenabwehr und ihre weltraumgestützte Nachrichtensysteme erlauben es der USA, unsere Nuklearstreitkräfte ohne den Einsatz von Nuklearwaffen zu zerstören. Die einzige Möglichkeit, unsere Sicherheit zu garantieren, die durch die Wirtschafts-, und demographische Katastrophen schwach geworden ist, liegt in der nuklearen Aufrüstung, dem Bau neuer Raketen, neuer Bomber. Wenn wir wieder mit der Reduzierung beginnen, dann werden wir Schwäche zeigen.“

Diese Ängste gehen auf die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zurück. Man hatte seine Hoffnungen auf eine gleichberechtigte Partnerschaft und strategische Stabilität. Und man wurde bitter enttäuscht. Aus diesem Grund wird man die Supermacht nicht mehr spielen. Wie der Ex-Sekretär des russischen Sicherheitsrates Andrej Kokoschin meint:

„dass es überhaupt keine Eile gibt. Es ist nicht schlimm, wenn wir im Dezember keine Vereinbarung haben. Ich denke, dass man sich nicht auf einen neuen Vertrag versteifen soll. Wir können auch ohne diesen neuen Vertrag leben. Die Chinesen leben doch auch problemlos ohne diesen Vertrag.“

Man könnte durchaus annehmen, dass Russland auch ohne diesen Vertrag leben kann. Das Land würde genug Waffen haben, um die Abschreckung zu sichern. Zumal, wenn die gegenseitigen Kontrollen ausbleiben, der Schleier der Unwissenheit seine Rolle spielen wird. Die Amerikaner würden dann ihre kostspielige nukleare Last weiterhin tragen, oder einseitig abbauen, ohne dass sie dafür mehr Sicherheit haben.
Doch wie Nikolaj Zlobin, Leiter der russisch-asiatischen Projektgruppe an dem Institut für Weltsicherheit in Washington in der Rossijskaja Gazeta schreibt:

„Beide Seiten können es sich nicht leisten, einen Vertrag nicht zu schließen, denn das würde ein Ende für die Bemühungen, die russisch-amerikanischen Beziehungen neu zu starten, bedeuten und damit der Sicherheit der Welt schaden. Die Verantwortung für das Scheitern wird den beiden Seiten zugerechnet.“

Wohl aus diesem Grund gehen die meisten Experten davon aus, dass man eine Zwischenlösung erreichen kann. Sie könnte vorerst die Grenze von 1500 Nuklearsprengköpfen haben. An die anderen Grenzen will man in aller Ruhe erst ab 2010 stoßen.

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  • Keine
  • peacock: Der Film ist ist wenigstens nicht so blöde wie Rammbock 1,2,3,4, viele. Wer genaue Geschichtsdarstellung sucht, ist bei einem Spielfilm immer falsch.
  • gregorhecker: Es gibt eine Behauptung, dass das Bild nicht 1942, sondern etwa 1939 während einer Übung gemacht wurde. Das wird in der russischen Wikipedia erwähn
  • Horst Heuer: Wie ist die Behauptung gemeint,das es sich bei dem Bild " Kombat " von Max Alpers um eine Fälschung handeln kann? Ich habe Erkenntnisse, das es sich

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